Warum gibt es denn eigentlich so wenig Gründerinnen?
Die Fakten liegen klar auf dem Tisch: Nach wie vor herrscht in der Architektur und im Ingenieurwesen ein gravierendes Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern. Eines der plakativsten Beispiele dafür ist aktuell Österreich, wo Frauen in der Gründerszene schwer zu finden sind. Das Wort „Gründerinnen“ gehört hier nicht zum Alltagsvokabular.
„Wir sind derzeit mit der Situation konfrontiert, dass etwas mehr als die Hälfte der Absolvent:innen des Architekturstudiums in unserem Land weiblich ist, aber der Anteil der Gründerinnen nur ein Viertel sind die davon Unternehmerin oder Gründerin werden. Bei den Ingenieurkonsulentinnen und Zivilingenieurinnen ist die Zahl noch geringer“, bilanziert Bettina Dreier-Fiala, Architektin aus Graz und Vorsitzende des Ausschusses der Ziviltechnikerinnen.
Der Grund ist schnell erklärt: „Sie müssen durch Doppelbelastungen höhere Hürden auf dem Weg zur eigenen Existenzgründung überwinden. Viele Frauen übernehmen oft Pflegeaufgaben – für Kinder oder ältere Angehörige und verbringen dadurch weniger Stunden im Büro. Männer gehen außerdem noch seltener in Karenz. In dieser Branche herrscht weiters noch immer die Meinung vor, dass man nur dann ein vollwertiger Architekt ist, wenn du dich mit Haut und Haaren deiner Arbeit verschreibst.“
Um nicht nur besagten Gender-Gap innerhalb des Berufsstandes zu verringern, sondern den Anteil selbstständiger Ziviltechnikerinnen signifikant zu erhöhen und Frauen langfristig bei der Ausübung ihres Berufs zu unterstützen, lief unter anderem 2019 das „Erasmus+“-Projekt „YesWePlan“ an. Initiiert wurde das Projekt vom Ausschuss der Ziviltechnikerinnen der ZT Bundeskammer und Partnerorganisationen aus Deutschland, Frankreich, Spanien und Slowenien. Vergleichbare Länderanalysen, Best-Practice-Transfers sowie ein Career-Tracking-System sollen mitunter einen hilfreichen Beitrag bei der Erarbeitung von Maßnahmen leisten, die mehr Frauen den Schritt ins Unternehmertum oder gar den Eintritt in den Beruf allgemein vereinfachen sollen. In Deutschlang gibt es schon seit 2009 die bundesweite Gründerinnenagentur (bga), die sich als Ziel gesetzt hat „Bundesweit Transparenz schaffen, Empowerment für Frauen in allen Phasen ihrer Gründungen zu ermöglichen, Qualität in Gründung und Gründungsberatung zu sichern und erfolgreiche Gründerinnen sichtbar zu machen,“ so Iris Kronenbitter, Leitung der bga. Damit eine Zukunft mit mehr Female Founders nicht mehr ganz so fern bleibt.
Quotenfrau – ja oder nein?
Die Auseinandersetzung mit der aktuellen Frauenpolitik steht im Fokus. Darauf basierend werden Aktivitäten organisiert, die Ziviltechnikerinnen auf die Bühne holen und erhebliche Arbeit im Bereich der Bewusstseinsbildung leisten. Frauen in ZT-Berufen auch weiterhin sichtbar zu machen und miteinander zu vernetzen, ist für einen signifikanten Anstieg an weiblichen Mitgliedern in Zukunft unabdinglich. Dennoch seien das nur zwei Maßnahmen von vielen, um Veränderung zu erzielen. Ein Umdenken sei notwendig, Einkommensunterschiede müssen verringert, das Kinderbetreuungsangebot verbessert und Karenzzeiten von Vätern durchgängig akzeptiert werden. „Niemand will als Quotenfrau bezeichnet werden. Damit aber langfristig die Gleichstellung der Geschlechter im Berufsleben erreicht wird, müssen Frauen in denselben Berufen und Positionen wie Männer tätig werden können – das heißt konkret auch vermehrt in der Technik und auf Führungsebene. Eine Erhöhung des Frauenanteils in diesen Bereichen wird letztendlich dazu beitragen, die Haltung Frauen und ihrer beruflichen Tätigkeit gegenüber zu verbessern und Unterschiede zu verringern“, argumentiert Dreier-Fiala. Damit Gründerinnen und Unternehmerinnen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Vergleich zu männlichen Gründern bestmöglich auszugleichen.
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