Mehr Motivation bedeutet auch mehr produktiven Output. Das ist unumstritten. Wie steigert man genau den Antrieb, mehr zu leisten, innerhalb seines Teams? In vielen Branchen scheint – zumindest aktuell – die 4-Tage-Woche die Antwort auf diese Frage zu sein.
Zwar fehlt in Deutschland noch eine gesetzliche Regelung, in aller Munde ist das Thema aber bereits jetzt schon. In Österreich und anderen europäischen Staaten ist sie aber schon Realität. Und auch in Bayern haben viele Arbeitgeber die Einführung einer Vier-Tage-Woche zumindest testweise eingeführt.
Die Vier-Tage-Woche hat sich für zahlreiche Fachkräfte jedenfalls als entscheidender Anreiz für einen Jobwechsel etabliert. Das zeigte der aktuelle Jobwechsel-Kompass, der vierteljährlich von der Königsteiner Gruppe in Zusammenarbeit mit der Online-Jobbörse stellenanzeigen.de durchgeführt wird. Laut der Umfrage suchen 42 Prozent der befragten Personen, die offen für einen Jobwechsel sind, gezielt nach Arbeitgebern, die eine Vier-Tage-Woche anbieten. 81 Prozent der Wechselwilligen möchten generell gerne in diesem viel diskutierten Arbeitszeitmodell arbeiten. Außerdem: Mehr als drei Viertel der wechselwilligen Kandidat*innen (77 Prozent) finden Arbeitgeber, die in ihren Stellenanzeigen oder auf ihren Karrierewebseiten eine Vier-Tage-Woche anbieten, attraktiver als andere Unternehmen.
Woher die Idee zur 4-Tage-Woche und 4-Tage-Arbeitswoche genau stammt, lässt sich im Gegensatz zur 5-Tage-Woche nicht genau bestimmen. Fakt ist aber, dass die kürzere Woche bei gleichem Lohn und 4-Tage-Arbeitswoche keinen spontanen Trend der Geschäftswelt darstellt. Denn das System mit 4 Arbeitstagen pro Woche wurde schon ausführlich getestet. Mit dabei waren sogar große Unternehmen, wie zum Beispiel Microsoft in Japan. Im Sommer 2019 testete die Firma das Konzept und konnte positive Ergebnisse feststellen, die Produktivität steigerte sich durch die 4-Tages-Woche um 40 Prozent. Und sogar für Start-ups kommt die 4-Tage-Woche infrage. Das Berliner Unternehmen „Bike Citizens“ für Fahrrad-Navigationen setzt auf eine 36-Stunden-Woche ebenfalls an vier Tagen und hat diese Regelung der Vier-Tage-Woche nach erfolgreichem Test nun komplett übernommen.
Auch wenn der Gesetzgeber noch nicht vorhat, an den juristischen Schrauben zu drehen, so sollte man sich also die bisherigen nachgewiesenen Fakten einmal anschauen …
Das spricht dafür …
- Leistung und Produktivität bleiben konstant, wenn man nur vier Tage in der Woche arbeitet. Das ergaben Studien in Island, wo das Modell schon seit 2015 im Einsatz ist.
- Die Anzahl der Überstunden steigt im Vergleich zur 5-Tage-Woche NICHT an.
- Eine Umstellung auf die 4-Tage-Woche ist nicht so aufwendig wie befürchtet.
- Angestellte sind insgesamt weniger im Krankenstand und sind der Meinung, dass sie produktiver arbeiten.
- Durch die verkürzte Arbeitswoche nutzen Mitarbeiter ihre Freizeit sinnvoller, etwa durch Sport. Durch die bessere Work-Life-Balance sind sie auch zufriedener.
Die Vorteile der 4-Tage-Woche sind also vielfältig. Mitarbeiter haben mehr Freizeit und können diese sinnvoll nutzen, der zusätzliche freie Tag wirkt sich also positiv auf ihre Work-Life-Balance aus. Gleichzeitig bleiben die Leistung und Produktivität auf einem konstanten Niveau und die Anzahl der Überstunden bleibt gleich. Die große Mehrheit gibt an, dass drei Tage freizuhaben entspannender ist als nur zwei. Zudem sind Mitarbeiter insgesamt weniger krank und empfinden ihre Arbeit als produktiver. Die Einführung einer Vier-Tage-Woche ist zusätzlich weniger aufwendig als befürchtet. Diese positiven Ergebnisse aus Island könnten Anreize für andere Länder und Unternehmen bieten, ebenfalls auf dieses Modell umzusteigen.
… und das dagegen
Selbstverständlich gibt es auch Nachteile und Unklarheiten, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur vier statt fünf Arbeitstage pro Woche. Zwar meinen Mitarbeiter, dass sie weniger gestresst sind, jedoch reduziert sich der Urlaubsanspruch. Haben Mitarbeiter bei einer Fünf-Tage-Woche zwanzig Tage im Jahr Urlaubsanspruch, bedeutet es, dass sie weniger Urlaubstage haben, wenn sie nur vier Tage die Woche arbeiten. Dann kann der Mitarbeiter 20 Prozent weniger, also 16 Tage, im Jahr Urlaub nehmen. Zusätzlich werden die Arbeitszeiten pro Tag, dank der reduzierten Arbeitstage, erhöht. Zwar bleibt die gesamte Wochenarbeitszeit bei 40 Arbeitsstunden, jedoch sind die Überstunden, die manchmal unweigerlich anfallen, noch nicht enthalten. Ein normaler Arbeitstag kann daher im schlimmsten Fall 12 Stunden dauern. 40 Stunden pro Woche in nur 4 Tage unterzubringen, wenn man zusätzlich auch noch die gesetzliche verankerte 10-Stunden-Regel beachten muss, kann problematisch werden. Vor allem Eltern sind mit diesem Problem konfrontierte, denn hier kommt oftmals auch das Thema der Kinderbetreuung auf: Eine Betreuung für zehn Stunden zu finden, ist deutlich schwieriger als für acht Stunden.
Ist die Vier-Tage-Woche also das richtige Arbeitszeitmodell für mehr Produktivität?
Vier statt fünf Tage pro Woche zu arbeiten scheint für viele gut zu funktionieren und das allgemeine Wohlbefinden zu steigern. Bei einem Pilotprojekt im Jahre 2022, wo unter anderem auch New Work SE, Betreiber des Berufsnetzwerks XING, die Vier-Tage-Woche ausprobiert haben, konnten 2022 eine angestiegene Leistung verzeichnen. Bei diesem Pilotprojekt wurden bei mehr als 30 Unternehmen aus Irland, Australien und der USA die Vier-Tage-Woche eingeführt. Das Ergebnis: 9 von 10 Punkten. Die befragten Unternehmen verzeichneten signifikante gesundheitliche Verbesserungen wie etwa ein gesenktes Stresslevel, weniger Müdigkeit und verbesserte körperliche sowie geistige Fitness. Auch aufseiten der Arbeitnehmer kam das Projekt gut an: 97 % wollten die Vier-Tage-Woche gerne fortführen. Andererseits berichten andere Berufs- und Altersgruppen, dass vier Tage arbeiten bei ihnen das Leben erschwert, z. B. bei Eltern, die keine Kinderbetreuung finden können, die 12 Stunden pro Tag offen haben bzw. Betreuung anbieten. Mehr arbeiten in weniger Tagen ist also für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen weniger förderlich, solange es kein dafür vorgesehenes System gibt.
Die gängigste Möglichkeit, eine 4-Tage-Woche in Deutschland zu erreichen, ist für Arbeitnehmer Teilzeit zu arbeiten. Zwar reduziert es die wöchentliche Arbeitszeit um 80 % (also auf 32 Stunden), aber in den meisten Fällen auch das Gehalt. Zwar hat man weniger Arbeitszeit, jedoch bedeutet dies nicht, dass man automatisch vier Tage pro Woche im Büro sitzt. Nur wenn es vorab mit dem Arbeitgeber geklärt wird, dass man keine fünf Tage arbeiten wird, sind vier Arbeitstage pro Woche gewährleistet.
Gleichzeitig stößt das Modell der 4-Tage-Woche auf immer mehr Interesse in der Bundesrepublik. So wurde in einer repräsentativen Umfrage des Marktforschungsinstituts Toluna deutlich, dass mehr als die Hälfte der Befragten auch weniger Gehalt in Kauf nehmen würden, und dafür weniger zu arbeiten. In Belgien wurde das Modell einer flexiblen 4- oder 5-Tage-Woche und stieß bei einer Meinungsumfrage von Forsa Anfang 2022 ebenfalls auf viel Zustimmung. Knappe 73 Prozent der Befragten befürworteten die 4-Tage Arbeitswoche bei vollem Lohnausgleich.
Arbeitnehmer schalten die Ampel bezüglich des neuen Arbeitszeitmodells also auf Grün. Doch wie schaut seitens der Arbeitgeber aus? Eine Frage stellt sich nämlich auch: Verschärft die Vier-Tage-Woche das Problem des Fachkräftemangels. „Derartige Ansprüche an die Arbeitswelt durch wechselwillige Arbeitnehmer:innen sind allerdings nur deshalb möglich, weil wir mehr freie Stellen als Kandidat*innen haben. Dieses Problem kann sich durch Arbeitszeitmodelle wie die Vier-Tage-Woche aber noch einmal verschärfen, da so noch mehr Mitarbeiter*innen für die gleiche Menge Arbeit benötigt werden. Eine mögliche Folge sind steigende unternehmerische Kosten, die das Wachstum hemmen, die Preise für die Konsumenten erhöhen und den Spielraum für sonstige Mitarbeiter-Benefits einengen. Die Auseinandersetzung mit derartigen Konsequenzen sollte unbedingt erfolgen, bevor Arbeitgeber reflexartig auf die Vier-Tage-Woche umstellen“, kommentierte Nils Wagener in einem ingenieur.de-Artikel, Geschäftsführer der Königsteiner Gruppe, Ergebnisse dieser Umfrage. Für diese Untersuchung wurden insgesamt 1.075 Beschäftigte bundesweit vom Marktforschungsunternehmen bilendi befragt.
Bisherige Erfahrungsberichte
Neben den anderen Ländern und internationalen Unternehmen gibt es auch hierzulande Firmen mit einer 4-Tage-Woche statt der 5-Tage-Woche. Bisher arbeiten zwar nur einzelne Unternehmen in Bayern mit einer Vier-Tage-Woche, doch die IG Metall in Bayern lobt dieses Modell. Es biete bei steigender Produktivität durch die Digitalisierung eine echte Möglichkeit, die vorhandene Arbeit gerecht zu verteilen, so Johann Horn, der Bezirksleiter der IG Metall in Bayern. Außerdem helfe es, Arbeit und Privatleben besser zu vereinen. Entgelterhöhungen seien trotzdem möglich. Und bei Betrieben im Wandel könne die 4-Tage-Woche ebenfalls helfen, Arbeitsplätze zu sichern und Zeit für Qualifizierungen zu gewinnen.
Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft hingegen sieht in der 4-Tage-Woche kein Zukunftsmodell für Bayern. Der Hauptgeschäftsführer der vbw, Bertram Brossardt, nennt als Grund die Kosten. Denn vor allem die produzierenden Unternehmen seien einem internationalen Wettbewerb ausgesetzt. Zudem sei aufgrund des Fachkräftemangels insgesamt eine Kapazitätsrückführung nicht denkbar. Die Lösung in Zukunft liege aufgrund des internationalen Wettbewerbs in einer hohen Flexibilisierung der Arbeitszeit und damit eher bei der 5-Tage-Woche.
In Sachsen-Anhalt wird derzeit geplant, eine „4+1-Tage-Woche“ für Schüler umzusetzen. Idee des Projekts ist es, den Präsenzunterricht auf vier Tage die Woche zu reduzieren und den fünften Tag für hybriden oder digitalen Unterricht zu nutzen. Der Gedanke dahinter: Lehrer sollen ihren Unterricht flexibler planen und durchführen können. Vorerst nehmen 12 Schulen aus dem Bundesland am Projekt teil, das auf das Schuljahr 2022/2023 begrenzt ist.
Alle weiteren Vorteile und Nachteile der 4-Tage-Woche sowie den großen Ländervergleich findest du hier.
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