7 ArchitektInnen + 7 IngenieurInnen + 7 Fragen

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So geht Plan A – Interview mit Martin Lesjak


Autor: Stanitznig Andrea veröffentlicht am 10.12.2020 · untermStrich software GmbH

Gutes Design braucht Wahnsinn

Was braucht es für eine kreative Revolution? INNOCAD-Gründer und Designer oft the Year 2015 Martin Lesjak hat die Antworten. Immerhin spricht er aus Erfahrung…

Es ist das goldene Herz von INNOCAD. Hier, am Rande der Grazer Innenstadt, bricht das goldene Headquarter mit der Tradition des Blocks. Gold statt Fades grau, optisch herausfordernde Perspektiven statt baulichem Einheitsbrei. Martin Lesjak lässt sich langsam in den Sessel am Besprechungstisch fallen. „Entschuldigung, dass es so lange gedauert hat mit dem Interviewtermin. Aber der Kalender ist voll“, sagt er und schenkt ein Glas Wasser ein.

 

Kannst du dich noch an eurer erstes Büro erinnern?

(lacht) Da müssten wir den Begriff Büro glaube ich erst einmal neu definieren! Wir waren eine Gruppe von Studienkollegen. Damals, vor knapp 20 Jahren, war alles noch etwas freier, weniger verschult als heute. Man hat schon an der Uni an echten Projekten gearbeitet. Uns war recht schnell klar, dass wir einen gemeinsamen Ort dafür brauchen. In den einzelnen WGs war das nicht gut möglich. Dann ist zu der Zeit ein Zubau an der technischen Universität von Günther Domenig fertig geworden. Mit einem Stiegenhaus, das ca. 25 m2 große Zwischenebenen hatte. Die haben wir einfach besetzt und zu unserem Zeichensaal umfunktioniert. An der Universität sind immer öfter Firmen ein- und ausgelaufen und die sind natürlich auf unseren Haufen aufmerksam geworden. So kamen die ersten Aufträge. Die Uni hat uns dann immer wieder rausgeschmissen aus dem Stiegenhaus. Eine Zeit lang sind wir aber immer wieder zurückgekommen. Bis wir dann doch eine kleine Wohnung gemietet haben und die zu einem Planungsbüro umfunktioniert haben. Die Pläne gestempelt hat ein Baumeister für uns.

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Klingt so einfach, diese kreative Revolution. War sie es auch? 

Ich muss zugeben, wir haben einen recht schnellen Start hingelegt. Von Betriebswirtschaft hatten wir damals keine Ahnung. Wir haben einfach gearbeitet. Als Student kommt man mit wenig bis Nichts aus, von dem her hat es uns kaum gestört, wenn am Ende eines Monats halt gerade einmal genug für die Miete übrig geblieben ist. Wir mussten viel gratis arbeiten, einfach, um die Sachen zu lernen. Wir haben ja eben nicht in einem anderen Architekturbüro gearbeitet sondern uns noch im Hörsaal selbstständig gemacht. Unser Glück war, dass mein Gründungspartner Peter schnell ein Auge für die Bedeutung einer guten Struktur entwickelt hat. Dann kam untermStrich ins Spiel. Die waren genau so jung und neu damals wie wir, das hat gut gepasst!

 

Heute zählt ihr zu den großen Playern in der Branche, ohne euren Ruf als Freidenker eingebüßt zu haben. Was ist euer Erfolgsrezept?

Ganz einfach. Das ist kein Job, das ist eine Berufung. Und wir leben diese uneingeschränkt. Berufung klingt vielleicht pathetisch, das muss es für jeden für uns aber sein. Man muss mehr machen, als einfach nur seine täglichen Aufgaben abhaken. Nine to five kenne ich nicht. Mein Arbeitstag ist nicht nach einer Stechuhr beendet, sondern dann, wenn ich den bestmöglichen Plan am Tisch vor mir liegen habe. Wenn man Architekt sein oder im kreativen Bereich arbeiten will, muss man sich als Person oder Künstler finden. Man muss seine Lebenschoreographie daran anpassen, wenn man es schaffen will, mit Kreativität auch Geld zu verdienen. Muss reisen,  außergewöhnlichen Menschen begegnen und mit ihnen arbeiten, im Grunde seine eigne Persönlichkeit füttern, um weiterzukommen. Aktuell findet man das bei den Jungen in unserer Branche  zu selten. Der Hunger für diese eine Sache fehlt oft. Jeder hat eine Vielzahl an Interessen und Hobbys. Da bleibt wenig Zeit und Raum, um sich wie ein Wahnsinniger in ein Thema zu stürzen. Es ist wie im Spitzensport. Wenn man gut werden will, muss man einfach mehr tun als die anderen. Investment, Commitment, das ist die Basis. Und dann genau die Besessenheit, dieses verinnerlichen seiner Arbeit. Gutes Design braucht Wahnsinn.

 

Wie könnte man das Problem lösen? Welches Fach würdest du etwa für Studenten an der Uni einführen, immerhin unterrichtest du ja auch immer wieder?

Hm. Gute Frage. Was definitiv fehlt ist Ethik. Wir haben eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Das muss man auch den Jungen ganz klar machen. Heutzutage ist es auch durchaus wichtig, sich mit seiner Arbeit gesellschaftspolitisch zu positionieren. Wir bauen nicht nur mit dem Hintergrund, dass da ein Gebäude in der Gegend herumsteht. Wir gestalten Lebensraum und gesellschaftlich relevante Konzepte.

 

 

Wie passiert Kreativität bei dir?

Bis zu einem gewissen Grad kann ich das steuern und trainieren. Meine Performance bringen, wenn ich muss. Ideen kommen die ganze Zeit. Die muss man alle abspeichern und im richtigen Moment nach vorne zu ziehen. Was unglaublich hilft ist viel reisen und sein Hirn mit den unterschiedlichsten Inputs füttern. Ich mache etwa elektronische Musik. Im Keller hier im Büro haben wir ein Musikstudio, machen viel Sounddesign, etwa für die steirische Landesausstellung. Soundtrack für Videos. Produzieren Techno und release auch. Alles das gehört auch zur Architektur. Die hört ja nicht beim Hausdach auf.


Das war ja auch in der Architektur von Anfang an euer Konzept…

Ja. Das Transdisziplinäre ist absolut in unserer DNA verankert. Innerhalb eines Teams wechseln wir bewusst die Disziplinen, um immer wieder was Neues zu lernen. Bei uns gibt es Leute, die kommen ursprünglich aus der Mode, dem Interiordesign, der Musik, Informationsdesign, Architektur. Arbeiten zusätzlich mit externen Künstlern, Wissenschaftlern und Co. Dieses Wechselspiel funktioniert wirklich. Kreativität hat keine Kategorie. Sich in Definitionen zwängen zu lassen, bringt nichts. Das ist wie eine ständige Ausbildung. Die Grenzen verschwimmen und jeder der Projektbeteiligten kann aus dem Pool schöpfen. Der Zugang ist immer derselbe, ob man ein Haus baut oder eine Sonnenbrille designt. 

Was war deine beste und lukrativste Idee?  

Ganz klar das Designlabel 13&9, das ich mit meiner Frau Anastasija gegründet habe. Der Designprozess wird auf dieser Plattform noch in andere Dimensionen getragen. Ob das besagte Sonnenbrillen sind, Möbel, Beleuchtung, Mode. Wir bauen unsere Welt immer weiter, bis in die kleinen Dinge des Alltags hinein. Diese Konsequenz für das Thema Design beflügelt umgekehrt auch wieder unsere Architektur.

 

Innocad
Sitz: Graz und New York
Mitarbeiter: Rund 20

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